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Frieden im Land 1999 Fototagebuch (Andreas Eckert)

1. September 2004

Der 01. September 1999 ist in der Stadt ein besonderer Tag. Bereits 10 Tage vorher beginnt die Lokalredaktion der Lausitzer Rundschau mit dem täglichen Abdruck von „Frieden ist ...“ Sätzen (vgl. Booklet der CD) und dem Hinweis auf die Performance „Friedne im Land“.

Am Morgen besuchen Ministerpräsident Stolpe, der Wojewode der Region Zielona Gorá sowie weitere Persönlichkeiten aus Politik, wirtschaft und öffentlichem Leben die Städte Guben und Gubin.

Die Klosterkriche Guben ist mit über 800 Sitzplätzen die größte Kirche der Stadt. Sie wird am Abend gefüllt sein.

Letzte Proben der Kinder- und Jugenkantorei vor dem „scharfen“ Start.

Oboen-Vladimir, ein Ukrainer, der sich zur Zeit in Deutschland aufhält, ist wegen einem Lied aus Berlin angereist „Ich will aber dabei sein...!“

Das Programm beginnt für die noch in Gespräche vertieften Besucher unvermittlet mit dem Hörspiel „Wer waren Nazis“ (CD Track 12)

Den Liedern „1938“, „Volk ohne Raum“, „Warum“ und „Nie wieder Krieg“ stellt Jürgen Friedack seine Videosequenzen „1938“, „Einmarsch in Polen“, „Belagerung Leningrad“ und „Kosovo 1999“ gegnüber. Besonders der dritte Clip ist für viele im Raum „persönliche Vorbereitung“ für die einen Monat später stattfindende Chorfahrt nach St. Petersburg.

Mit den Worten „20.600.000 Tote in der UdSSR, 6.020.000 Tote in Polen, 5.250.000 Tote om Deutschland, 1.690.000 Tote in Jugoslawien, mehr als 36 Millionen Tote in ganz Europa, dazu Tote in Japan, China, Afrika – kommentieren kann man diese Zahlen nicht.“ fordert die Schülerin Stefanie Stein die Anwesenden zu einem Gedenken der unschuldig Verfolgten, Gequälten, Zerschundenen, Umgebrachten auf.

Für je eine Million Opfer wird eine Kerze entzündet, die im Altarraum während des ganzen Abends ein Zeichen des Gedenkens bleiben werden.

Donato plögert, Berliner Musiker, entdecdkt auf der Rückseite der Lausitzer Rundschau, die seine neue CD vorstellt, den Mitmachaufruf. Seine beiden Lieder fassen sowohl den „historischen“ Programmteil zusammen, als sie auch den Blick auf aktuelle Probleme lenken. Auch für Donato plögert gilt wie für alle andern Künstler: kein Honorar, keine Fahrtkosten – aller Aufwand wird selbst bezahlt, aus der Veröffentlichung auf CD ergeben sich keine materiellen Forderungen.

Beate Steige arbeitet als Bildungsreferentin beim Bund der Katholischen Jugend im Bistum Görlitz. Sie ist es gewohnt, Dinge ohne Floskeln zu benennen. Ihren Text hat Sie im Gedenken an Omar Ben Noui geschrieben.

Über Texte mit Tiefgang sollte man nicht oberflächlich hinweggehen. So gibt die Interpretation des „Air“ von Johann Sebastian Bach durch Christfried Fichtner (Geiger am Staatstheater Cottbus) und Kantor Hansjürgen Vorrath (Kantor und Organist der Klosterkirche Guben) die notwendige Ruhe, einmal über „Ausländer“ im eigenen Erlebnisumfeld nachzudenken.

Gemeinsames Grußwort der Bürgermeister von Gubin und Guben zur Gedenkveranstaltung „Frieden im Land“ am 01. September um 19:00 Uhr in der Klosterkirche zu Guben

60 Jahre liegt der Tag zurück, der den Beginn des größten krieges aller Zeiten markiert. Vor 60 Jahren begann für die Völker im osten durch den Überfall Hitler-Deutschlands auf polen ein Leidenweg ungeahnten Ausmaßes.
Die Kerzen hier im Altarraum können an dieses Leiden nur unzureichend erinnern.

Um so bewegender ist es, daß hier in der Klosterkirche Menschen aller Generationen aus den Städten Guben und Gubin und darüber hinaus zusammengefunden haben, um sich gemeinsam den Fragen nach dem Frieden im Land und seiner Zerbrechlichkeit zu stellen.

Dieser Tag ist ein Tag des Gedenkens. Wir dürfen nicht vergessen, was Krieg bedeutet und was dazu geführt hat. Aber wir dürfen auch nicht in der Vergangenheit gefangen bleiben.

Aus den Erfahrungen mit dem II. Weltkrieg in der Vergangenheit sowie unzähligen Konflikten und Kriegen in der Gegenwart müssen wir unsere Blicke nach vorn richten und an die zukunft denken.
Soll die Zukunft für uns und die nachfolgenden Generationen eine gute Zukunft sein, so gelingt dies nur, wenn wir heute und hier es mehr und mehr lernen, in Frieden zu leben.

Wir Bürgermeister wollen mit Ihnen zusammen und allen menschen guten Willens täglich neu Zeichen für Frieden, Verstehen, Versöhnung und gute Nachbarschaft setzen.

Wir danken allen, die diesen Weg des friedvollen miteinanders bereits mitgehen.
Wir wollen die Menschen, die noch über den Schwierigkeiten des Alltags die Chancen einer gemeinsamen, friedvollen Zukunft übersehen, einladen, mit uns das Gespräch zu suchen, um besser zu verstehen.

Wir wünschen allen, die der Gewalt in Wort und Tat widerstehen, daß sie als Leuchtfeuer in unsere Länder strahlen und auf dem Weg zum Frieden Orientierungszeichden sind.

Wlodzimierz Rogowski/Gottfried Hain

„In Memoriam Johann Crüger“ nennt Harald Lohrscheider, der Cottbuser Komponist und Leiter der „Städtischen Musikschule Johann Crüger“ in Guben seine Komposition. Zwischen den Choralzitaten und elektronischen Clustern liegen nicht nur 400 Jahre Geschichte. Der hier in Guben geborene Johann Crüger selbst kommt am Dreißigjährigen Krieg nicht vorbei. Zwischen „Komm, o tod, des Schlages Bruder“ (Titelmelodie des gleichnamigen Filmes) und „Jesu, meine Freude“ wird er umgetrieben.

In der Choreografie von Bettina Owcarek (Cottbus) tanzen Schüler der Musikschule Guben unter Leitung von Wilgried Zarske die eindrucksvollen Bilder zwischen Geburt und Tod, die der erst 17-jährige Christian Gumprich durch seine eigene Art der Beleuchtung einzigartig deutlich macht.

Der Blick auf den Altar öffnet sich. Pastor Süß, Rektor des Naemi-Wilke-Stift, stellt die Frage „Was ist Nachdenken, Rückbesinnung ohne Hoffnung auf Zukunft?“ Für die vielen jungen Menschen im Raum stellt sich die Frage oft ähnlich, auch wenn sie dabei nicht an den zweiten Weltkrieg denken. Wer wird dann Antworten geben? Eltern? Schule? Politik? Oder sind es dann die mit den Parolen; dem unkontrollierten Haß auf Andeersenkende, Andersaussehende, Anderslebende?

Mit den vom Initiator Andreas Eckert nach Textvorlagen von Konrad Häußler (Radebeul) und Manja Kruppa (Guben) geschriebenen Liedern „Dona nobis pacem“ und „Frieden wächst in unserm Land“ singen junge Leute von ihrer Sehnsucht anch Frieden. Maria Tilgner, Anna Lik (aus Zielona Gorá), Vladimir, pia und all die anderen großen und kleinen Sänger der Jugendkantorei sehen nicht so aus, als obman sie zum singen zwingen muß.

Und so gibt Andreas Eckert allen im Raum einen Wunsch mit auf den Weg: Mögen sich die Lieder des Friedens in unseren Köpfen festsetzen, damit wir sie vielleicht einmal gemeinsam mit unseren polnischen Nachbarn auf der Neißebrücke singen können.

Nachwort von Andreas Eckert:

Ein knappes Jahr haben viele an diesem Projekt gearbeitet. Der Drucker, der Fotograf, der Grafiker, der Journalist, der Texter,d er Autor, der Komponist, der Produzent,d er Musiker, ich könnte über 400 Personen aufzählen, die mich bei diesem Projekt durch Kunstwerke, Geld, gute Worte oder Handanlegen unterstützt haben.

Danke an alle, besonders aber an Herrn Großmann (Stadtverwaltung Guben) Frau Remus und Frau Kretschmer (LR), Frau Floß (Wochenkurier) und Frau Schunack (Neiße-Echo), die durch die ständige öffentliche Begleitung dafür gesorgt haben, daß viele Kontakte erst möglich wurden.

Andreas Eckert (1999)

www.klosterkirchennacht.de/archiv/1999-friedenimland/Fototagebuch/index.php

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